Nachdem Meyer seinen Ruf als Verleger durch weitere Ausgaben, etwa durch die seit 1833 erscheinende Reihe „Meyer’s Universum“ (mit Stahlstichen, das Bibliographische Institut war einer der ersten Anwender dieser neueren Technik) weiter im Markt sowie auch finanziell gefestigt hatte, begann er 1834 mit den Vorbereitungen & 1839 mit der Auslieferung seiner bisher größten Unternehmung: einem „völlig“ neuen Lexikon. Dessen Zielsetzung war inspiriert von der geistigen & politischen Haltung des Verlegers im sog. Vormärz, der Zeit vor der Revolution von 1848. Es sollte weniger der gebildeten Schicht (wie sie explizit in den frühen Brockhaus Titeln angesprochen wurde), sondern dem breitem Publikum, insbesondere dem aufstrebendem Bürgertum zugänglich gemacht werden. Meyer wollte in seinem Werk „dazu beitragen, das drückende Monopol des Wissens, welches so lange auf den Völkern gelastet, über den Haufen zu werfen“ (zit. nach Sarkowski). Im Schlußwort vom 28. März 1855 schreibt Meyer u.a. "Mein Motto war: die Intelligenz Aller ist der stärkste Hort der Humanität und Freiheit" (s. Bild 12).
Das unter dem Titel „Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände. In Verbindung mit Staatsmännern, Gelehrten, Künstlern und Technikern“ herausgegebene Monomentalwerk sollte in vier Jahren vollständig erscheinen & in den geplanten 21 Bänden doppelt so viele Stichworte wie das etwa zeitgleich erschienene Pierer-Lexikon (2. Auflage) und dreißigmal so viele wie damals aktuelle Brockhaus-Lexikon (8. Auflage) enthalten. Neu war in einem deutschen Lexikon auch die Beigabe von Tafeln & Textillustrationen.
Eine derartige Unternehmung - mit dem Ziel ein allumfassendes Lexikon, welches den gesamten Wissenstand erfassen wollte um somit eine Bibliothek zu ersetzen - wurde ab dem 19. Jahrhundert aufgrund der steigenden Wissensmenge nahezu unmöglich. Ein Bespiel hierfür ist etwa der unvollendete „Ersch-Gruber“. Meyer hatte mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Anstatt nach vier Jahren (in 21 Bänden) das komplette Lexikon fertiggestellt zu haben, waren nach sechs Jahren gerade 14 Bände bis zum Stichwort „Erlachhof“ erschienen. Um die Subskribenten besser bedienen zu können, eröffnete Meyer eine zweite Abteilung mit dem Buchstaben „O“ & veröffentlichte parallel Lieferungen der ersten & zweiten Abteilung. Erst 1856 war das Lexikon vollständig. Und aus geplanten 21 Bänden waren 52 Bände geworden, 46 Bände A-Z (1840-1852) sowie 6 Supplementbände (1853-1856) mit mehr als 65.000 Seiten zweispaltiger Text & 1.200 Seiten Register. Mit diesem Umfang & dem Stichwortreichtum setzte Meyer neue Maßstäbe in der Lexikographie.
Die Beharrlichkeit & Ausdauer mit der Meyer sein Lexikon zum Ende brachte, verdient Bewunderung & erforderte seine ganze Kraft (etwa ein Jahr später, am 27.Juni 1856 verstarb Joseph Meyer). Noch bewundernswerter ist jedoch die Geduld der Subskribenten, welche die regellosen Sprünge durch das Alphabet ertrugen & für das ursprünglich mit 67 Taler annoncierte Werk letztlich 260 Taler bezahlen mußten (in diesem Punkt - ein Lexikon für das breite, nicht so vermögende Publikum zu erschaffen – hat Meyer sein Ziel nicht wie geplant erreicht).
Obwohl teilweise bis zu 70.000 Exemplare ausgegeben wurden, ist der vollständige „Wunder-Meyer“ heute eine absolute Rarität. Gründe hierfür sind, daß die Folgegenerationen dieses Lexikon beizeiten für „überholt“ hielten (es daher „entsorgten"), der enorme Umfang & lange Erscheinungszeitraum (Herausgabe in über 1.000 Einzellieferungen) sowie daß in neuerer Zeit die Bücher wegen der beigegebenen Stahlstiche „ausgeschlachtet“ wurden. Nach unserer Einschätzung dürften - ohne Bibliotheksbestände - kaum wesentlich mehr als einhundert komplette, einheitlich eingebundene Exemplare mit Supplementen heute noch verfügbar sein - und davon nur ein sehr kleiner Anteil noch mit den mehr als 1.800 Stichen (bei uns aktuell mehrere vollständige Ausgaben & auch Einzelbände auf Anfrage erhältlich).