Den Höhepunkt der Werksgeschichte, vor allem unter ästhetischen Gesichtspunkten, stellt ohne Zweifel die von 1902 an erschienene & 1921/1922 unverändert nachgedruckte 3. Auflage dar, welche in ihrer überaus reizvollen Jugendstil-Ornamentik einen der gestalterischen Glanzpunkte der Buchproduktion dieser Epoche bildet.
Die Chefredaktion der 3. Auflage leitete der Humanist & Historiker Franz Meister (1847-1933); fünfhundert Fachredakteure bearbeiteten die technischen & naturwissenschaftlichen Themen. Mit den Vorarbeiten zu diesem Herder Lexikon wurde bereits 1890 begonnen & erstmals wurden die Redakteure fest angestellt, anstatt wie bei den beiden vorangegangenen Ausgaben nach Zeile, Bogen oder Band entlohnt zu werden. Bei der Überarbeitung der Artikel der vorherigen zweiten Auflage zeigte sich, dass die ursprünglich geplante Neuauflage in unwesentlich erweitertem Umfang nicht zu realisieren war (Peche, 231). Es entstand ein „Mittellexikon“, welches zwischen den großen Ausgaben von Brockhaus & Meyer (Bibliographisches Institut) sowie den kleineren Handlexika stand.
Letztlich erschien das Hauptwerk in acht Bänden (1902-1907), von welchem insgesamt 75.000 Exemplare abgesetzt wurden. Die Bände des Grundwerkes zwischen 1.740-1910 Spalten, der erste Ergänzungsband von 1910 mit 1.500, die beiden Kriegsnachtrags-Ergänzungsbände mit 928 bzw. 1.135 Spalten. Zusammen etwa 18.000 Spalten Text, mehr als 1,2 Millionen Zeilen mit etwa 47 Millionen Einzelbuchstaben, 80 Karten sowie über 7.600 Abbildungen.
Obgleich die Lieferung in 160 Heften (a 60 Heller) erfolgte, sind Exemplare dieser Auflage praktisch nur im verlagsseitigen, braunen Halbleder-Originaleinband erhältlich (s. Bilder 2-4): Die Lederrücken mit kunstvoller, reliefartiger Prägung (zeigt eine Frau an einem Brunnen sitzend) sowie rotem & schwarzem Rückenschild. Auch die seitlichen Einfassungen & die Deckelecken sind mit reichhaltigen floralen Prägungen versehen.
Im Anschluß erschien noch
• 1910 ein erster Ergänzungsband (zu erkennen an der fehlenden Kennzeichnung als Band IX) bzw. gleichen Inhaltes ein Supplementband (Band IX).
• 1918 die erste Hälfte eines zweiten Ergänzungsbandes (sehr selten) - entsprechender Rückentitel "II" - welcher aufgrund des Kriegsausbruches nie mit dem zweiten Teil vollendet werden konnte (Bilder 14-18). Dieser Band schließt direkt an den ersten Ergänzungsband von 1910 an. Im Vorwort ist nachzulesen, daß sich der Herder-Verlag entschlossen hatte, diesen zeitlich bis 1914 reichenden, nur die Buchstaben A-H umfassenden & schlichter eingebundenen Band dennoch zu veröffentlichen, obwohl eine Fortsetzung "angesichts der gewaltigen Umgestaltungen infolge des Weltkrieges ausgeschlossen" ist. Weitere Details siehe Ausführungen in den Vorbemerkungen (vergrößerbares Bild in der Galerie).
• 1921-1922 noch zwei (schmalere) Kriegs-Nachtrags-Supplementbände: Zweiter Ergänzungsband Erste Hälfte A-L (Band X / II.1) & Zweiter Ergänzungsband Zweite Hälfte K-Z (Band XI / II.2); Bilder 8-14. Diese beiden seltener erhältlichen Bücher sind - der finanziellen Situation der Nachkriegszeit Rechnung tragend - zumeist nur in braunem Leineneinband (Abbildung 8) - anstatt dem braunen Ledereinband wie die neun vorangegangenen Bände (Abbildung 14) anzutreffen. Die in den ersten dieser Bände hinter die Spalte 359 gehörende Deutschland-Karte wurde wegen der noch nicht feststehenden Ostgrenzen in vielen Fällen erst mit dem letzten Band lose ausgeliefert. Ein entsprechender Hinweis findet sich im Buch. Und dies hat zur Konsequenz, daß diese Karte fast immer fehlt. In einigen Fällen (vermutlich bei später ausgelieferten Exemplaren) ist diese Deutschland-Karte direkt an der richtigen Stelle im Band X / II.1 eingebunden.
Zur gleichen Zeit erfolgte noch ein unveränderter Abdruck aller 11 Bände I-XI in blauer Halbleinen-Originalbindung (optisch sonst identisch mit der braunen Halblederausgabe, Bild 22).
Darüber hinaus ist noch eine äußerst seltene Prachtausgabe mit Kopfgoldschnitt (Bilder 19-21) erschienen.
In der katholischen Presse bekam dieses Herder-Lexikon zumeist keine guten Rezensionen. In der Regel wurde das Fehlen der einen oder anderen Theologenpersönlichkeit (das Lexikon enthält nach Vorgabe von Franz Meister nur ordentliche Professoren) & die technikfreundliche Einstellung des Werkes kritisiert. Auf der anderen Seite fand wiederum der klerikale Herder z.B. keinen Eingang in „liberale“ Universitätsbibliotheken, wie etwa in Graz. Im Ausland fand das Lexikon jedoch einige Beachtung; es diente etwa in Amerika als Anstoß zur Entstehung der „Catholic Encyclopedia“ Peche, nach Sacher).